I. Strafrechtliche Ermittlungsverfahren
1. Nutzen
- Weitgehend Kostenfreiheit, insbesondere keine Sachverständigenkosten
- Keine Gerichtskosten oder zu erstattende Gebühren bei Unterliegen in 1. Instanz
- Bei grundsätzlicher Bedeutung generalpräventive Wirkung
- Rechtskräftige Verurteilung ist Präjudiz für Schadenregulierung
- Gewisse Bewältigungsmöglichkeit für den Geschädigten bzw. dessen Angehörige
2. Risiko
- Sachverständige neigen eher zum Kollegenschutz
- Hohe Einstellungsquote, Staatsanwaltschaft selten motiviert
- Keine Beweiserleichterung für Patienten
- Die Anwaltskosten eines aktiven strafrechtliches Vorgehen werden von der Rechtsschutzversicherung nicht übernommen
- Generell geringe Erfolgsaussichten
- Verfahrensdauer häufig mehrere Jahre
- Strafantragsfrist, falls kein öffentliches Interesse an Strafverfolgung bejaht wird
- Regelmäßig nur geringe Geldstrafen, keine Maßnahmen, z.B. Anordnung von Fortbildungskursen o. ä. gem. § 153 a StPO möglich
II. Berufsgerichtliches Verfahren (Heilberufgesetz bzw. Kammergesetz)
1. Nutzen
- Denkbar für Fälle, die sich weder strafrechtlich fassen lassen noch zivilrechtlich verfolgt werden sollen
- Keine Verfahrenskosten für anzeigende Patienten
2. Risiko
- Patient kein Verfahrensbeteiligter
- Antragsberechtigt die Ärztekammer bzw. betroffener Arzt
- Soweit es nicht um „Unwürdigkeitsfeststellung“ und damit um Approbationsentzug geht, lediglich „Denkzettel“ für Arzt
- Bei Ermittlungsverfahren (I.) muß die Staatsanwaltschaft ohnehin die Ärztekammer informieren
- Behandlungsfehler ist nicht gleich Berufsfehler!
III. Außergerichtliche Anspruchsanmeldung/Regulierungsverhandlung
1. Nutzen
- u.U. Einigung auf Gutachter, Unterstützung durch den Medizinischen Dienst der gesetzlichen Krankenversicherer (Gutachten gem. § 66 SGB V)
- Professionelle Bearbeitung, Herbeiführung der Verzugsvoraussetzungen
- Bei kleinen und mittleren Schäden Abfindungsvergleich möglich
- Risikovergleichsmöglichkeit
- Kein „Alles oder Nichts“
- Gemindertes Kostenrisiko für Patienten, da gegnerische Kosten regelmäßig nicht zu erstatten sind
- Ohne Rechtsstreit und Publizität muß der Arzt keinen Reputationsverlust befürchten
- Dauer zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren
2. Risiko
- Bei größeren Schäden bereits vorgerichtlich erheblicher Zeitverlust; für Patienten keine direkte Möglichkeit zur Verfahrensbeschleunigung
- Drängen der Versicherung auf Abfindung besonders bei größeren Schäden problematisch
- Bei Verhandlung über komplizierten Schadensumfang ohne vorheriges Anerkenntnis hat Versicherung Option der völligen Ablehnung, so dass am Ende wegen Uneinigkeit in einer einzelnen Schadensposition und trotz langer außergerichtlicher Verhandlungen ein Prozeß zum Schadensgrund geführt werden muß
- Bei Scheitern oder Regulierungsablehnung: V. oder gar keine weitere Rechtsverfolgung
IV. Kommission für ärztliche Haftpflichtfragen bzw. Gutachter- und Schlichtungsstelle bei der Ärztekammer
1. Nutzen
- In der Regel kostenloses Gutachten
- Bei positivem Bescheid (Dauer ca. 1 Jahr) tritt Versicherung möglicherweise in die Regulierung ein
- Kein Anwaltszwang bzw. Kostenerstattung
2. Risiko
- Regelmäßig kein Einfluß auf Gutachterauswahl oder Verfahrensgang
- Keine mündliche Verhandlung
- Oftmals nur begrenzte Sachverhaltsaufklärung
- Gutachterliche Stellungnahmen oftmals ohne wissenschaftliche Literatur, daher nur schwer überprüfbar
- Präjudizrisiko
- Geringere Akzeptanz bei Patienten wegen Bedenken gegen Unparteilichkeit
- Trotz positivem Gutachten lehnt der Versicherer ggf. die Regulierung ab
- Aufklärungs- und Organisationsrüge sowie Beweisrecht häufig nur unzureichend berücksichtigt
IV. Schadensersatzklage
1. Nutzen
- Geltung der ZPO mit den für Arzthaftungssachen entwickelten Modifikationen
- Erlangung eines Zahlungs- bzw. Feststellungsurteils
- Für Patienten Bewältigungsmöglichkeit
- Teilklage möglich; anschließend III. bezüglich weiteren Schadens
2. Risiko
- 1. Instanz (insbesondere an den Amtsgerichten) oftmals keine Fachkammer
- Hohes Kostenrisiko wenn keine Rechtsschutzversicherung besteht
- fallsdie Voraussetzungen vorliegen: Prozesskostenhilfe deckt „nur“ die Gerichtskosten, die Sachverständigenkosten und die Kosten des eigenen, nicht aber die des gegnerischen Anwalts (!)
- Anwaltszwang vor dem Landgericht
- Prozeßparteien nutzen oftmals Instanzenzug, daher lange Verfahrensdauer
Fazit:
Straf- und/oder berufsrechtliche Verfahren schaffen nur in seltenen Fällen die Voraussetzung für die erfolgreiche Durchsetzung von Schadensersatzansprüchen. Die Stellung eines Strafantrags bietet sich allerdings an, wenn ein Zusammenhang zwischen der medizinischen Behandlung und dem Tod des Patienten vermutet wird und eine Obduktion zur „Beweissicherung“ erforderlich ist. Regelmäßig sind außergerichtliche Vorgehensweisen kombinierbar. So folgt auf den positiven Bescheid einer ärztlichen Gutachterkommission zunächst die außergerichtliche Schadensanmeldung und erst im Falle einer Ablehnung des Haftpflichtversicherers die Schadensersatzklage. Ein pauschaler Rat, wann welches Vorgehen geboten ist, läßt sich nicht erteilen. Die richtige Taktik ist in jedem Einzelfall von den unterschiedlichsten Faktoren abhängig. Scheitern die außergerichtlichen Bemühungen trotz bester Argumente (nicht selten!) bleibt letztlich nur die Schadensersatzklage.
Verfasser:
Rechtsanwalt Jochen Wiegand
Fachanwalt für Medizinrecht
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